Christian Morgenstern Zitate
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Es gibt kaum etwas Empörenderes, als die sklavische Furcht, die jeder Autoritätsglaube dem Menschen einprägt und einbrennt; ein Gefühl, dessen blasse Nachtschatten bis in die späte Reife des Denkenden hineinreichen. Wie lange währt es, bis man diese beschämenden Fußfesseln des freien Gedankens nicht nur ganz abgeschüttelt, nein, auch sich völlig aus den Augen geschafft hat!
– Christian Morgenstern
Jeder Menschenkopf ist eine Sonne und seine Gedanken sind die überall hindringenden unsichtbaren Strahlen. Könnten wir sie, wie bei der Sonne, mit unseren leiblichen Augen schauen, so würden sie uns in ihrer Gesamtheit erscheinen wie ein großer Lichtkreis, an dessen Ausdehnung und Leuchtkraft leicht zu erkennen wäre, einen Stern wievielter Größe wir vor uns haben.
– Christian Morgenstern
Der Ausdruck ›Lieber Gott‹, über den schon Nietzsche spottet, mußte in der Tat dem Deutschen zu erfinden aufgespart bleiben. Es sollte ihm nur einmal aufgehen, wie er sich selbst damit den Blick für die unaussprechliche Gewaltigkeit und Fürchterlichkeit des Weltganzen verdirbt, wenn er dessen höchster Personifikation das vertrauliche Wörtchen ›lieb‹ voransetzt.
– Christian Morgenstern
Ich möchte sagen, daß ich immer noch im und vom Sonnenschein meiner Kindheit lebe.
– Christian Morgenstern
Den Ästhetikern: Zeigt Wege der Zukunft, aber beschwört nicht ewig die Toten gegen uns.
– Christian Morgenstern
Jeder JĂĽngling mag von sich denken, er sei der Messias, aber er muĂź nicht Messias sagen, sondern nur Messias tun.
– Christian Morgenstern
Wozu, so fragt man sich, Reich, Wohlstand, Macht, wenn alles das die Menschen nur verflacht.
– Christian Morgenstern
Die Zärtlichkeit, womit sich der moderne Mensch behandelt, ist erstaunlich. Was alles ist nicht ›für sein Innenleben wichtig‹! Man liegt heute auf den Knien vor diesem seinem ›Innenleben‹. Aber es ist nur eine andre Art Mops oder Affenpintscher, wofür nun die ganze Welt als Kißchen und Zuckerchen gerade gut genug ist.
– Christian Morgenstern
Die meisten Ehen werden geschlossen, wie nur Liebschaften angeknĂĽpft werden dĂĽrften.
– Christian Morgenstern
Es gibt keine ›toten‹ Gegenstände. Jeder Gegenstand ist eine Lebensäußerung, die weiter wirkt und ihre Ansprüche geltend macht wie ein gegenwärtig Lebendiges. Und je mehr Gegenstände du daher besitzest, desto mehr Ansprüche hast du zu befriedigen. Nicht nur sie dienen uns, sondern auch wir müssen ihnen dienen. Und wir sind oft viel mehr ihre Diener, als sie die unsern.
– Christian Morgenstern
Niemand ist zu gut fĂĽr diese Welt. Menschen, von denen dies gesagt wird, sind vielmehr in irgend einem Betrachte nicht gut genug.
– Christian Morgenstern
Mein Herz kommt mir heut vor wie ein Pfefferkuchenherz, das lange im Nassen gelegen hat.
– Christian Morgenstern
Ich achte heut noch, was ich einst geachtet: Dem Manne Schmach, dem Geld und Gut gegeben, ohn daĂź er durch ein zwiefach adlig Leben den blinden Zufall auszugleichen trachtet. Verharren wir im ,Unsern' ohne Liebe, so schilt man uns nicht nur, so sind wir Diebe.
– Christian Morgenstern
In diesen Erzählungen von Liebe sehe ich immer nur eines: die Liebe als Selbstpreis. Selten oder nie, daß diese Menschen durch ihre Liebe zu einander wachsen wollen, daß sie sich über sich hinaus lieben. Daher denn auch die Übersättigung, ja der Ekel, der einen nach und vor derlei erfaßt, ein Verlangen, es möchte doch auch hier endlich eine neue Optik Platz greifen, eine tiefere, religiösere Betrachtung des Liebeslebens.
– Christian Morgenstern
Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas.
– Christian Morgenstern
Durch die Natur beruhigt sich Gott selbst immer wieder. Wehe, wenn er als Mensch in dem unseligen Fieber der Zivilisaton sich selbst als Natur zerstört haben wird.
– Christian Morgenstern
O Ihr, an so viel »letztem Wissen« Leidenden, wie seid ihr oft instinktlos im Entscheidenden!
– Christian Morgenstern
Neue Dichter seh ich kommen, nach innen den Blick gerichtet.
– Christian Morgenstern
Suche allem nach Möglichkeit eine Folge zu geben.
– Christian Morgenstern
Ich rechne nur nach Menschen, nicht nach Geschlechtern, außerdem bin ich kein Freund von Gemeinplätzen, wie etwa dem über Freundschaft und Liebe, denn ich gehe einfach den Weg, den ich vor mir rechtfertigen kann, nicht den, welchen mir irgend eine abgebrauchte Sentenz vorschreibt.
– Christian Morgenstern
Wenn du ein GeldstĂĽck von Wert bist, so briefwechsle dich nicht zu oft.
– Christian Morgenstern
Wenn ich aber tot sein werde, so tut mir die Liebe und kratzt nicht alles hervor, was ich je gesagt, geschrieben oder getan. Glaubet nicht, daß in der Breite meines Lebens das liegt, was euch wahrhaft dienlich sein kann. Ißt man denn an einem Apfel auch alles mit: die Kerne, das Kerngehäuse, die Schale, den Stengel? Also lernt auch mich essen und schlingt mich nicht hinunter mit alledem, was nun zwar zu mir gehört und gehörte, aber von dem ich selbst so wenig wissen will, wie ihr davon sollt wissen wollen. Laßt mein allzuvergänglich Teil ruhen und zerfallen: Dann erst liebt ihr mich wirklich, habt ihr mich wirklich verstanden.
– Christian Morgenstern
Ich habe sehr sichere Instinkte, aber nicht die Gabe, eingehend zu begründen, zu erklären. Die Mehrzahl der Heutigen hat umgekehrt die Gabe des Begründens und Erklärens in hohem Maße, aber dafür keine innere Direktion. Es ist unendlich quälend, die Berechtigung seines Urteils immer wieder aufs neue beweisen zu sollen.
– Christian Morgenstern
Nichts macht das Leben ärmer als vieles anfangen und nichts vollenden.
– Christian Morgenstern
Alles öffentliche Leben ist wenig mehr als ein Schauspiel, das der Geist von vorgestern gibt, mit dem Anspruch, der Geist von heute zu sein.
– Christian Morgenstern
Wer wollte den Gutartigen, den Begabten, den Wunderlichen nicht lieben. Aber den Böswilligen, den Ungeistigen, den Langweiligen zu lieben gilt es. Nicht so sehr ein jovialer Wirt sein allen, die ihre Zeche mehr oder minder bezahlen, als der barmherzige Samariter derer, die nichts haben als ihr schmerzliches Schicksal.
– Christian Morgenstern
Alle wahrhaft groĂźen Dichtungen sind Variationen zum Schicksalsliede, seien es Maestosi, Allegri oder Scherzi.
– Christian Morgenstern
Die Entwickelung der Fahrzeuge verfolgt langsam denselben Weg wie die religiöse Entwickelung. Der Vorspann verschwindet, die bewegende Kraft wird ins Innere selbst verlegt.
– Christian Morgenstern
Es ist etwas FĂĽrchterliches um einen Menschen, der leidet, ohne Tragik empfinden zu lassen.
– Christian Morgenstern
Du siehst in etwa 100 Meter Entfernung einen Mann Holz spalten. Das auf den Hackblock geschmetterte Scheit sinkt bereits nach links und nach rechts auseinander – da erreicht dich erst der Schall. So mögen wir die Welt ein halbes Leben lang betrachten, bis wir das Wort vernehmen, das zu ihr gehört, die Seele, die von ihr redet.
– Christian Morgenstern