Christian Morgenstern Zitate

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Es ist das Unglück, daß Würde und Feinheit von Gedanken oft von den Raumverhältnissen eines Zimmers, einer beglückenden Fensteraussicht, einem gewissen Maß von Licht und Farbe abhängig sind, so daß einer, der sein Leben lang in einer Art von länglichen Schachteln gehaust hat und eines Tages ein edel proportioniertes Gemach betritt, sich zu glauben geneigt findet, wieviel er vielleicht allein durch den Charakter seiner Wohnräume geistig verloren haben könnte.
– Christian Morgenstern
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Wenn jemand gegen etwas vorgeht, so geht er nicht gegen das ganze Etwas vor: denn das sieht er dann gar nicht mehr. Sondern er sieht dann nur noch das ›rote Tuch‹ in dem Etwas. Nie wird gegen ›etwas‹ vorgegangen, immer nur gegen rotes Tuch. Und wenn zwei Völker gegen einander ziehen, so stürzt ein jedes bloß gegen rotes Tuch: denn wie könnte ein Volk wider ein andres Volk sein, wenn nicht die Helden vom roten Tuch wären, wenn nicht unaufhörlich von hüben und drüben auf rotes Tuch aufmerksam gemacht würde, so daß die Völker, die armen Stiere, zuletzt wild werden und einander anrennen.
– Christian Morgenstern
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Sieh einmal morgens nackenden Leibes beim Waschen an dir herunter, den Riesen-Zellenbau, das Zellenuniversum ohne Gleichen! Welches naive Auge würde je darauf kommen, dich als eine einheitliche Ordnung von Legionen selbständiger Wesen zu verstehen und welches Auge würde folgen wollen, wenn der Verstand es wagte, die Wirklichkeit überhaupt als einen einzigen Zellenleib zu beschreiben, dessen Formen wir uns nur nicht vorstellen können?
– Christian Morgenstern
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