Christian Morgenstern Zitate
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Ich halte es nicht für das größte Glück, einen Menschen ganz enträtselt zu haben, ein größeres noch ist, bei dem, den wir lieben, immer neue Tiefen zu entdecken, die uns immer mehr die Unergründlichkeit seiner Natur nach ihrer göttlichen Seite hin offenbaren.
– Christian Morgenstern
Ich mag die Verärgerten nicht leiden.
– Christian Morgenstern
Gelehrte Müßt ihr euch immer prügeln, wenn ihr aufs Forum wandelt, Könnt ihr euch nicht beflügeln, wenn ihr von Großem handelt?
– Christian Morgenstern
Unser Begreifen ist Schaffen; seien wir doch selig in diesem BewuĂźtsein.
– Christian Morgenstern
Nimm dem Leben die harte Tragik, das tiefe Bewußtsein, daß alles vergänglich – du nimmst ihm die Schönheit.
– Christian Morgenstern
Der Mensch, das Individuum ist Gottes Einfalt, ist einfältig gewordene Gottheit.
– Christian Morgenstern
Wahrlich eine verderbliche Lehre: es sei die Bestimmung des Weibes, Gattin oder Mutter zu werden. Damit wird das Weib als Mensch, als Individuum völlig ausgeschaltet, als hätte es an sich überhaupt keinen Wert, keinen Sinn, keine Entwickelungsmöglichkeiten, habe überhaupt nur in Beziehung auf Gatten und Kind Existenzberechtigung.
– Christian Morgenstern
Es ist das Unglück, daß Würde und Feinheit von Gedanken oft von den Raumverhältnissen eines Zimmers, einer beglückenden Fensteraussicht, einem gewissen Maß von Licht und Farbe abhängig sind, so daß einer, der sein Leben lang in einer Art von länglichen Schachteln gehaust hat und eines Tages ein edel proportioniertes Gemach betritt, sich zu glauben geneigt findet, wieviel er vielleicht allein durch den Charakter seiner Wohnräume geistig verloren haben könnte.
– Christian Morgenstern
Es gibt keine Wahrheit an sich. An sich ist einer der größten Materialismen der Epoche.
– Christian Morgenstern
Eine der schönsten und symptomatischesten russischen Sitten ist die Anrede beim Vornamen. Eine ganze Welt von Zopfigkeit liegt in unserem Herr, Fräulein, gnädige Frau.
– Christian Morgenstern
Wenn jemand gegen etwas vorgeht, so geht er nicht gegen das ganze Etwas vor: denn das sieht er dann gar nicht mehr. Sondern er sieht dann nur noch das ›rote Tuch‹ in dem Etwas. Nie wird gegen ›etwas‹ vorgegangen, immer nur gegen rotes Tuch. Und wenn zwei Völker gegen einander ziehen, so stürzt ein jedes bloß gegen rotes Tuch: denn wie könnte ein Volk wider ein andres Volk sein, wenn nicht die Helden vom roten Tuch wären, wenn nicht unaufhörlich von hüben und drüben auf rotes Tuch aufmerksam gemacht würde, so daß die Völker, die armen Stiere, zuletzt wild werden und einander anrennen.
– Christian Morgenstern
Jedem, der seine Gedanken niederlegt, blickt schon im Augenblick des Schreibens ein Größerer über die Schulter, sei es ein Vergangener, Lebendiger, oder noch Ungeborener. Wohl dem, der diesen Blick fühlt: Er wird sich nie wichtiger nehmen, als ein geistiger Mensch sich nehmen darf.
– Christian Morgenstern
Man muß die Gegenwart von ihrer Wissenschaft reden hören, um zu wissen, was ein Parvenü ist.
– Christian Morgenstern
Sieh einmal morgens nackenden Leibes beim Waschen an dir herunter, den Riesen-Zellenbau, das Zellenuniversum ohne Gleichen! Welches naive Auge würde je darauf kommen, dich als eine einheitliche Ordnung von Legionen selbständiger Wesen zu verstehen und welches Auge würde folgen wollen, wenn der Verstand es wagte, die Wirklichkeit überhaupt als einen einzigen Zellenleib zu beschreiben, dessen Formen wir uns nur nicht vorstellen können?
– Christian Morgenstern
Der Bekämpfung der Schundliteratur sollte die von fratzenhaften Reklamebildern zur Seite treten. Nur die große Trägheit in solchen Dingen nimmt hin, was hier täglich auf Plakaten und in der Presse vor Augen zu rücken gewagt wird, und achtet nicht der unausbleiblichen, schädlichen Wirkung solcher Zerrbilder auf jede, besonders aber auf jede jugendliche Seele.
– Christian Morgenstern
Beim Vorlesen einiger Nietzschescher Aphorismen: – Geistige Austern.
– Christian Morgenstern
»Die Welt!« Was soll das Angstgestöhn! Wollt sie schön, so ist sie schön!
– Christian Morgenstern
›Geist‹ ist heute Marktware, wer redet noch davon? Ein wirklich eigener Gedanke aber ist immer noch so selten wie ein Goldstück im Rinnstein.
– Christian Morgenstern
Mancher sucht sein Leben lang Kameradschaft, – aber man muß mit diesem Bedürfnis im Herzen nicht zu Frauen gehen. Sie wollen, eine jede, ausschließlich geliebt sein, sie wollen aus aller Kraft die Episode der Liebe, aber ohne sie dabei als Episode aufzufassen.
– Christian Morgenstern
Jede Krankheit hat ihren besonderen Sinn, denn jede Krankheit ist eine Reinigung; man muß nur herausbekommen, wovon. – Es gibt darüber sichere Aufschlüsse; aber die Menschen ziehen es vor, über hunderte und tausende fremder Angelegenheiten zu lesen und zu denken, statt über ihre eigenen.
– Christian Morgenstern
Machen wir uns doch von der Tyrannei der Geschichte frei. Ich sage nicht: von der Geschichte, ich sage: von der Tyrannei der Geschichte.
– Christian Morgenstern
Am Vollblut spĂĽrst du sofort, was Adel ist, beim Menschen wirst du's nicht gelten lassen.
– Christian Morgenstern
Was uns allen zumeist fehlt, ist das tiefe, dauernde BewuĂźtsein des wirklichen Elends auf Erden, sonst wĂĽrden wir ĂĽber den GefĂĽhlen einerseits des Mitleids, andrerseits des Dankes ganz der kleinlichen Misere des eigenen Lebens vergessen.
– Christian Morgenstern
Einer der seltsamsten Zustände ist das dunkle und unvollkommene Bewußtsein, das wir von der Form und dem Ausdruck unsres eigenen Gesichtes haben.
– Christian Morgenstern
Es ist etwas Herrliches, wenn in das Händeklatschen einer Menge jenes Elementare kommt, das ich das Mark des Beifalls nennen möchte.
– Christian Morgenstern
Nirgends kann das Leben so roh wirken, wie konfrontiert mit edler Musik.
– Christian Morgenstern
Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens. Zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch.
– Christian Morgenstern
Ich habe noch nie eine Phantasie gehabt, die nicht eine – wenn auch noch so verborgene – Nabelschnur zur Wirklichkeit gehabt hätte.
– Christian Morgenstern
In dem Maße, wie der Wille und die Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik am andern.
– Christian Morgenstern
Die ›bessere‹ Gesellschaft ist die eigentlich und im tiefsten Sinne unwissende und ungebildete.
– Christian Morgenstern