»Zeitraum«: das ist ein Quodlibet der Ewigkeit. Man versuche einmal, sich ohne Kopfschmerzen die Raumzeit vorzustellen.
– Karl Kraus
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»Zeitraum«: das ist ein Quodlibet der Ewigkeit. Man versuche einmal, sich ohne Kopfschmerzen die Raumzeit vorzustellen.
– Karl Kraus
Ich hörte einen angeheiterten deutschen Mann einem Mädchen, das in eine Seitengasse einbog, die humoristisch deklamierten Worte nachrufen: »Da geht sie hin, die Schanddirne!« Es ist nicht anzunehmen, daß je ein Gesetz zustandekommt, welches erlaubt, deutsche Männer niederzuschießen, die mit einem einzigen Wort den vollständigen Beweis ihrer Unnützlichkeit auf Erden erbracht haben.
– Karl Kraus
Aber die Sprache des Kampfes steht in einem naturhaften Zusammenhang mit der Wahrheit, und ich spreche es mit der höchsten Achtung vor einer mißbrauchten Menschlichkeit aus, daß sie, wo sie einmal frei ausströmen darf, einer fehlerlosen Sprache fähig ist.
– Karl Kraus
Wenn ein Fürst geehrt werden soll, werden die Schulen geschlossen, wird die Arbeit eingestellt und der Verkehr unterbunden.
– Karl Kraus
Die Kunst ist dem Philister der Aufputz für des Tages Müh' und Plage. Er schnappt nach den Ornamenten, wie der Hund nach der Wurst.
– Karl Kraus
Die Verworrenheit unserer politischen Zustände hat einen großen Vorteil; sie erleichtert die Beurteilung der führenden Männer. Unter minder schwierigen Umständen konnte sich ein Minister jahrelang der Feststellung seines Wertes entziehen. Selbst der Geschichte fehlen die Anhaltspunkte zur Beurteilung einzelner Staatsmänner. Aber dieses historische Dämmerlicht ist vorüber. Heute ist die Beleuchtung so grell, daß man die Umrisse politischer Unfähigkeit weithin erkennt. Unsere Zeit richtet jeden Minister binnen ein paar Tagen – standrechtlich. Auch auf die Abstufungen der Mittelmäßigkeit läßt sie sich nicht mehr ein.
– Karl Kraus
Die Welt der Beziehungen, in der ein Gruß stärker ist als ein Glaube und in der man sich des Feindes versichert, wenn man seine Hand erwischt, hält die Abkehr von ihrem System für Berechnung, und wenn sie den Herkules nicht geradezu verachtet, weil er sich und dreitausend Rindern das Leben schwer macht, so forscht sie nach seinen Motiven und fragt: Was haben Sie gegen den Augias?
– Karl Kraus
Die Literatur von heute sind Rezepte, die die Kranken schreiben.
– Karl Kraus
Kosmetik ist die Lehre vom Kosmos des Weibes.
– Karl Kraus
Ich bitte niemand um Feuer. Ich will es keinem verdanken. In Leben, Liebe und Literatur nicht. Und rauche doch.
– Karl Kraus
Der Mann bildet sich ein, daß er das Weib ausfülle. Aber er ist nur ein Lückenbüßer.
– Karl Kraus
Die bloße Mahnung an die Richter, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, genügt nicht. Es müßten auch Vorschriften erlassen werden, wie klein das Wissen und wie groß das Gewissen sein darf.
– Karl Kraus
Geistige Zuckerbäcker liefern kandierte Lesefrüchte.
– Karl Kraus
Mit einem Blick ein Weltbild erfassen, ist Kunst. Wie viel doch in ein Auge hineingeht!
– Karl Kraus
Die Frauen sind die besten, mit denen man am wenigsten spricht.
– Karl Kraus
Die Irrsinnigen werden von den Psychiatern allemal daran erkannt, daß sie nach der Internierung ein aufgeregtes Benehmen zur Schau tragen.
– Karl Kraus
Die Nahrung des Witzes ist eine landläufige Ration von Kenntnissen.
– Karl Kraus
Das Wort hat einen Feind, und das ist der Druck. Daß ein Gedanke dem Leser der Gegenwart nicht verständlich ist, ist dem Gedanken organisch. Wenn er aber auch dem ferneren Leser nicht verständlich ist, so trägt eine falsche Lesart die Schuld. Ich glaube unbedingt, daß die Schwierigkeiten der großen Schriftsteller Druckfehler sind, die wir nicht mehr zu finden vermögen. [...]
– Karl Kraus
Jeder Wiener ist eine Sehenswürdigkeit, jeder Berliner ein Verkehrsmittel.
– Karl Kraus
Nahrung ist eindrucksfähiger als Bildung, ein Magen bildsamer als ein Kopf.
– Karl Kraus
Ein Gedanke ist nur dann echtbürtig, wenn man die Empfindung hat, als ertappe man sich bei einem Plagiat an sich selbst.
– Karl Kraus
An einem Dichter kann man Symptome beobachten, die einen Kommerzialrat für die Internierung reif machen würden.
– Karl Kraus
Sie verstehen ihre eigene Sprache nicht, und so würden sie es auch nicht verstehen, wenn man ihnen verriete, daß das beste Deutsch aus lauter Fremdwörtern zusammengesetzt sein könnte, weil nämlich der Sprache nichts gleichgültiger sein kann als das »Material«, aus dem sie schafft.
– Karl Kraus
Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu schreiben.
– Karl Kraus
Ein Weib ist manchmal ein ganz brauchbares Surrogat für die Selbstbefriedigung. Freilich gehört ein Übermaß von Phantasie dazu.
– Karl Kraus
Wird in Österreich ein Verfassungsbruch begangen, so gähnt die Bevölkerung.
– Karl Kraus
Der Unterschied zwischen der alten und der neuen Seelenkunde ist der, daß die alte über jede Abweichung von der Norm sittlich entrüstet war und die neue der Minderwertigkeit zu einem Standesbewußtsein verholfen hat.
– Karl Kraus
Die Außenwelt ist eine lästige Begleiterscheinung eines unbehaglichen Zustands.
– Karl Kraus
Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.
– Karl Kraus
Zum Teufel mit dem Geschwätz über die sexuelle Aufklärung der Jugend! Sie erfolgt noch immer besser durch den Mitschüler, der im Lesebuch das Wort »Hören« anstreicht, als durch den Lehrer, der die Sache als eine staatliche Einrichtung erklärt, die so wichtig sei und so kompliziert wie das Steuerzahlen.
– Karl Kraus