Karl Kraus Zitate
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Anschauliche Reiseberichte machen die Entwicklung der Unkultur vom Männergesang zum Männergebrüll fühlbar. Je lauter der Lärm und je schlechter die Luft, desto klarer die Erkenntnis, daß in dem Kampf um das Freiheitsrecht, der Zeit ihre Phrase zu prägen, Bier fließt.
– Karl Kraus
Fechten und Keulenschwingen sind trügerische Entfettungskuren. Sie schaffen Hunger und Durst. Was den meisten Menschen abgeht und was ihnen unfehlbar helfen könnte, ist die Möglichkeit, geistige Bewegung zu machen.
– Karl Kraus
Die Ehe ist eine Mesalliance.
– Karl Kraus
Wissenschaft ist Spektralanalyse. Kunst ist Lichtsynthese.
– Karl Kraus
Bevor man das Leben über sich ergehen läßt, sollte man sich narkotisieren lassen.
– Karl Kraus
Der Klügere gibt nach, aber nur einer von jenen, die durch Schaden klug geworden sind.
– Karl Kraus
Nichts kränkt den Pöbel mehr, als wenn man herablassend ist, ohne heraufzulassen.
– Karl Kraus
Der »starre Buchstabe des Gesetzes«? Das Leben selbst ist zum Buchstaben erstarrt, und was bedeutet neben solchem Zustand die Leichenstarre der Gesetzlichkeit!
– Karl Kraus
»Sich keine Illusionen mehr machen«: da beginnen sie erst.
– Karl Kraus
Die Tragik des Gedankens, Meinung zu werden, erlebt sich am schmerzlichsten in den Problemen des erotischen Lebens. Das geistige Erlebnis läßt hier Reue zurück, wenn es jene ermuntert, die bestenfalls recht haben können. Und so mag es gesagt sein: Jedes Frauenzimmer, das vom Weg des Geschlechts in den männlichen Beruf abirrt, ist im Weiblichen echter, im Männlichen kultivierter als die Horde von Schwächlingen, die es im aufgeschnappten Tonfall neuer Erkenntnisse begrinsen und die darin nur den eigenen Mißwachs erleben. Das Frauenzimmer, das Psychologie studiert, hat am Geschlecht weniger gefehlt, als der Psycholog, der ein Frauenzimmer ist, am Beruf.
– Karl Kraus
Eine neue Erkenntnis muß so gesagt sein, daß man glaubt, die Spatzen auf dem Dach hätten nur durch einen Zufall versäumt, sie zu pfeifen.
– Karl Kraus
Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält.
– Karl Kraus
Auch hängt noch über mancher Bauerntafel ein Klumpen Zucker, an dem sie gemeinsam lecken. Ich möchte lieber dort eingeladen sein, als ein Konzert besuchen.
– Karl Kraus
Haß muß produktiv machen. Sonst ist es gleich gescheiter, zu lieben.
– Karl Kraus
In die Irre geht, wer nur den einen hört.
– Karl Kraus
In Berlin hat einer einen geschwollenen Hals. Das kommt vom vielen Silbenschlucken. Aber der Kopf geht bei solcher Tätigkeit leer aus.
– Karl Kraus
Einen Roman zu schreiben, mag ein reines Vergnügen sein. Nicht ohne Schwierigkeit ist es bereits, einen Roman zu erleben. Aber einen Roman zu lesen, davor hüte ich mich, so gut es irgend geht.
– Karl Kraus
Um einen Irrtum gutzumachen, genügt es nicht, ihn mit einer Wahrheit zu vertauschen. Sonst lügt man.
– Karl Kraus
Die Persönlichkeit hat's in sich, das Talent an sich.
– Karl Kraus
Was vom Stoff lebt, stirbt vor dem Stoffe. Was in der Sprache lebt, lebt mit der Sprache.
– Karl Kraus
Das Gefühl, das man bei der Freude des andern hat, ist in jedem Fall selbstsüchtig. Hat man ihm die Freude selbst bereitet, so nimmt man die Hälfte der Freude für sich in Anspruch. Die Freude aber, die ihm ein anderer vor unseren Augen bereitet, fühlen wir ganz mit: die Hälfte ist Neid, die Hälfte Eifersucht.
– Karl Kraus
Die Deutschen sitzen an der Tafel einer Kultur, bei der Prahlhans Küchenmeister ist.
– Karl Kraus
Für den Nachteil des Mannes, nicht immer erhören zu können, wurde er mit der Feinfühligkeit entschädigt, die Unvollkommenheit der Natur in jedem Falle als eine persönliche Schuld zu empfinden.
– Karl Kraus
Der deutsche Hochgedanke hat dank der Normalwäsche den Weg durch Einheit zur Unreinheit genommen.
– Karl Kraus
Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben.
– Karl Kraus
Eine Welt von Wohllaut ist versunken, und ein krähender Hahn bleibt auf dem Repertoire.
– Karl Kraus
Was mich immer tief alteriert hat, das ist die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Menschen ihr Gesicht tragen.
– Karl Kraus
Sie haben die Presse, sie haben die Börse, jetzt haben sie auch das Unterbewußtsein!
– Karl Kraus
Ein Paradoxon entsteht, wenn eine frühreife Erkenntnis mit dem Unsinn ihrer Zeit zusammenprallt.
– Karl Kraus
Nervenpathologie: Wenn einem nichts fehlt, so heilt man ihn am besten von diesem Zustand, indem man ihm sagt, welche Krankheit er hat.
– Karl Kraus