Es ist uns oft genug begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, ja vier Wochen lang ein einziges Wort gesucht und erfragt haben, und haben's doch bisweilen nicht gefunden. Im Buch Hiob hatten wir, M. Philippus, Aurogallus und ich, solche Arbeit, daß wir in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen fertigbringen konnten. Mein Lieber, nun, da es verdeutscht und fertig ist, kann's ein jeder lesen und kritisieren. Es läuft einer jetzt mit den Augen über drei, vier Blätter hin und stößt nicht ein einziges Mal an, wird aber nicht gewahr, welche Wacken und Klötze da gelegen sind, wo er jetzt drüber hingeht wie über ein gehobeltes Brett, wo wir haben schwitzen und uns ängstigen müssen.
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Wenn man [...] die wichtige Rolle betrachtet, welche die Geschlechtsliebe in allen ihren Abstufungen und Nuancen, nicht bloß in Schauspielen und Romanen, sondern auch in der wirklichen Welt spielt, wo sie, nächst der Liebe zum Leben, sich als die stärkste und tätigste aller Triebfedern erweist, die Hälfte der Kräfte und Gedanken des jüngern Teiles der Menschheit fortwährend in Anspruch nimmt, das letzte Ziel fast jedes menschlichen Bestrebens ist, auf die wichtigsten Angelegenheiten nachteiligen Einfluss erlangt, die ernsthaftesten Beschäftigungen zu jeder Stunde unterbricht, bisweilen selbst die größten Köpfe auf eine Weile in Verwirrung setzt, sich nicht scheut, zwischen die Verhandlungen der Staatsmänner und die Forschungen der Gelehrten störend, mit ihrem Plunder, einzutreten, ihre Liebesbriefchen und Haarlöckchen sogar in ministerielle Portefeuilles und philosophische Manuskripte einzuschieben versteht, nicht minder täglich die verworrensten und schlimmsten Händel anzettelt, die wertvollsten Verhältnisse auflöst, die festesten Bande zerreißt, bisweilen Leben, oder Gesundheit, bisweilen Reichtum, Rang und Glück zu ihrem Opfer nimmt, ja, den sonst Redlichen gewissenlos, den bisher Treuen zum Verräter macht, demnach im Ganzen auftritt als ein feindseliger Dämon, der alles zu verkehren, zu verwirren und umzuwerfen bemüht ist; — da wird man veranlasst, auszurufen: Wozu der Lärm? Wozu das Drängen, Toben, die Angst und die Not? Es handelt sich ja bloß darum, dass jeder Hans seine Grete findet.
Jeder unmäßige Jubel beruht immer auf dem Wahn, etwas im Leben gefunden zu haben, was gar nicht darin anzutreffen ist, nämlich dauernde Befriedigung der quälenden, sich stets neu gebärenden Wünsche, oder Sorgen.
Ein eigentümlicher Fehler der Deutschen ist, daß sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.
Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist, ja eigentlich von dieser sich nur wie Theorie von Praxis unterscheidet, überhaupt aber da eintritt, wo das Mitleid seine Stelle finden sollte, welches, als ihr Gegenteil, die wahre Quelle aller echten Gerechtigkeit und Menschenliebe ist.
Alles, was im Christentum Wahres ist, findet sich auch im Brahmanismus und Buddhismus.
Was sich liebt und füreinander geboren ist, findet sich leicht zusammen: verwandte Seelen grüßen sich schon aus der Ferne.
Wer Gedanken mitzuteilen hat, wird sich alle Mühe geben, sich deutlich zu machen, und sogar nach der Unfähigkeit der Andern zu bequemen suchen. Wer aber keine Gedanken mitzuteilen hat und doch gern den Schein des Gegenteils hervorbringen möchte, wird oft das Mittel ergreifen, sinnlosen Wischiwaschi aufzutischen, und der Unfähigkeit der Andern die Schuld zu geben, daß kein Sinn darin gefunden wird.
Ob einer mehr Ursach hat, die Menschen zu suchen oder zu meiden, hängt davon ab, ob er mehr die Langeweile oder den Verdruss fürchtet.
Wenn ich aber suche, mir vorstellig zu machen, daß ich vor einem individuellen Wesen stände, zu dem ich sagte: "Mein Schöpfer! Ich bin einst nichts gewesen: du aber hast mich hervorgebracht, so daß ich jetzt etwas und zwar ich bin" – und dazu noch: "ich danke dir für diese Wohltat" – und am Ende gar: "wenn ich nichts getaugt habe, so ist das meine Schuld"; – so muß ich gestehn, daß infolge philosophischer und indischer Studien mein Kopf unfähig geworden ist, einen solchen Gedanken auszuhalten.
Im Ganzen und Allgemeinen jedoch beruht die dem Genie beigegebene Melancholie darauf, daß der Wille zum Leben, von je hellerem Intellekt er sich beleuchtet findet, desto deutlicher das Elend seines Zustandes wahrnimmt.
Der geistreiche Mensch wird vor allem nach Schmerzlosigkeit, Ungehudeltsein, Ruhe und Muße streben, folglich ein stilles, bescheidenes, aber möglichst unangefochtenes Leben suchen und demgemäß, nach einiger Bekanntschaft mit den sogenannten Menschen, die Zurückgezogenheit und, bei großem Geiste, sogar die Einsamkeit wählen.
Für die Philosophie aber ist es ein schlimmes Stück, daß die welche für sie leben, verdrängt werden von denen, die eigentlich bloß von ihr leben wollen; daß die, welche die Wahrheit suchen, erstickt werden im Gedränge derer, die eigentlich nur ein Stück Brot suchen.
Die einzige Welt, welche jeder wirklich kennt und von der er weiß, trägt er in sich, als seine Vorstellung, und ist daher das Zentrum derselben. Deshalb eben ist jeder sich alles in allem; er findet sich als den Inhaber der Realität und kann ihm nichts wichtiger sein, als er selbst.
Umgekehrt nun aber wird Geistesarmut, Verworrenheit, Verschrobenheit sich in die gesuchtesten Ausdrücke und dunkelsten Redensarten kleiden, um so in schwierige und pomphafte Phrasen kleine, winzige, nüchterne, oder alltägliche Gedanken zu verhüllen, demjenigen gleich, der, weil ihm die Majestät der Schönheit abgeht, diesen Mangel durch die Kleidung ersetzen will und unter barbarischem Putz, Flittern, Federn, Krausen, Puffen und Mantel, die Winzigkeit oder Häßlichkeit seiner Person zu verstecken sucht.
Oft finden wir etwas ganz anderes, ja, besseres, als wir suchten; oft auch das Gesuchte selbst auf einem ganz anderen Wege, als den wir zuerst vergeblich danach eingeschlagen hatten.
Die Geschichte zeigt uns das Leben der Völker, und findet nichts, als Kriege und Empörungen zu erzählen: die friedlichen Jahre erscheinen nur als kurze Pausen, Zwischenakte, dann und wann einmal. Und eben so ist das Leben des Einzelnen ein fortwährender Kampf, nicht etwa bloß metaphorisch mit der Not, oder mit der Langeweile; sondern auch wirklich mit anderen. Er findet überall den Widersacher, lebt in beständigem Kampfe und stirbt, die Waffen in der Hand.
Wer zum Denken von Natur die Richtung hat, muss erstaunen und es als ein eigenes Problem betrachten, wenn er sieht, wie die allermeisten Menschen ihr Studieren und ihre Lektüre betreiben. Nämlich es fällt ihnen dabei gar nicht ein, wissen zu wollen, was wahr sei; sondern sie wollen bloß wissen, was gesagt worden ist. Sie übernehmen die Mühe des Lesens und des Hörens, ohne im Mindesten den Zweck zu haben, wegen dessen allein solche Mühe lohnen kann, den Zweck der Erkenntnis, der Einsicht: sie suchen nicht die Wahrheit, haben gar kein Interesse an ihr. Sie wollen bloß wissen, was alles in der Welt gesagt ist, eben nur um davon mitreden zu können, um zu bestehen in der Konversation, oder im Examen, oder sich ein Ansehen geben zu können. Für andere Zwecke sind sie nicht empfänglich. Daher ist beim Lesen oder Hören ihre Urteilskraft ganz untätig und bloß das Gedächtnis tätig. Sie wiegen die Argumente nicht: sie lernen sie bloß. So sind leider die allermeisten: deshalb hat man immer mehr Zuhörer für die Geschichte der Philosophie, als für die Philosophie.
Das Beste und meiste muss daher jeder sich selber sein oder leisten. Je mehr nun dieses ist, und je mehr demzufolge er die Quellen seiner Genüsse in sich selbst findet, desto glücklicher wird er sein.
An einem jungen Menschen ist es, in intellektueller und auch in moralischer Hinsicht, ein schlechtes Zeichen, wenn er im Tun und Treiben der Menschen sich recht früh zurechte zu finden weiß, und sogleich darin zu Hause ist und wie vorbereitet, in dasselbe eintritt: es kündigt Gemeinheit an. Hingegen deutet, in solcher Beziehung ein befremdetes, stutziges, ungeschicktes und verkehrtes Benehmen auf eine Natur edlerer Art.
Demgemäß sehen wir, in allen Zeiten und Ländern, die große Mehrzahl der Menschen es viel leichter finden, den Himmel durch Gebete zu erbetteln, als durch Handlungen zu verdienen.
Das Nomadenleben, welches die unterste Stufe der Zivilisation bezeichnet, findet sich auf der höchsten im allgemein gewordenen Touristenleben wieder ein. Das erste ward von der Not, das zweite von der Langeweile herbeigeführt.
Groß überhaupt ist nur der, welcher bei seinem Wirken, dieses sei nun ein praktisches, oder ein theoretisches, nicht seine Sache sucht; sondern allein einen objektiven Zweck verfolgt.
Neid ist dem Menschen natürlich: dennoch ist er ein Laster und Unglück zugleich. Der Neid der Menschen zeigt an, wie unglücklich sie sich fühlen; ihre beständige Aufmerksamkeit auf fremdes Tun und Lassen, wie sehr sie sich langweilen. Wir sollen daher ihn als den Feind unseres Glückes betrachten und als einen bösen Dämon zu ersticken suchen.
Im stillen Bewußtsein dieses Bewandnisses der Sache [daß der Stil ein genauer Abdruck der Qualität des Denkens ist] sucht jeder Mediokre seinen, ihm eigenen und natürlichen Stil zu maskieren.
Um über alle geheime Sympathie, oder gar magische Wirkung, vorweg zu lächeln, muss man die Welt gar sehr, ja ganz und gar begreiflich finden. Das kann man aber nur, wenn man mit überaus flachem Blick in sie hineinschaut, der keine Ahndung davon zulässt, dass wir in ein Meer von Rätseln und Unbegreiflichkeiten versenkt sind und unmittelbar weder die Dinge, noch uns selbst, von Grund aus kennen und verstehen.
Unmäßige Freude und sehr heftiger Schmerz finden sich immer nur in der selben Person ein: denn beide bedingen sich wechselseitig und sind auch gemeinschaftlich durch große Lebhaftigkeit des Geistes bedingt.
Ein Volk von lauter Bauern würde wenig entdecken und erfinden: aber müßige Hände geben tätige Köpfe.
Die wahre Philosophie wird sich dadurch bewähren, daß die unzählbaren Widersprüche, von denen die Welt (aus jedem andern Standpunkt gesehn) voll ist, in ihrem Lichte sich auflösen und verschwinden, hingegen Zusammenhang und Übereinstimmung überall zu finden sind.
Vor Gericht wird eigentlich nur mit Autoritäten gestritten, der Autorität der Gesetze, die fest steht: das Geschäft der Urteilskraft ist das Auffinden des Gesetzes, d. h. der Autorität, die im gegebenen Fall Anwendung findet. Die Dialektik hat aber Spielraum genug, indem, erforderlichenfalls, der Fall und ein Gesetz, die nicht eigentlich zueinander passen, gedreht werden, bis man sie füreinander passend ansieht: auch umgekehrt.