Der Journalist ist vom Termin angeregt. Er schreibt schlechter, wenn er Zeit hat.
Schreiben, Schrift Zitate
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Wenn ich vortrage, so ist es nicht gespielte Literatur. Aber was ich schreibe, ist geschriebene Schauspielkunst.
Meine Leser glauben, daß ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag schreibe. So muß ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden sie möglicherweise Aktualität erlangen.
Zuerst schnüffelt der Hund, dann hebt er selbst das Bein. Gegen diesen Mangel an Originalität kann man füglich nichts einwenden. Aber daß der Literat zuerst liest, ehe er schreibt, ist trostlos.
Die Literatur von heute sind Rezepte, die die Kranken schreiben.
Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen.
Der eine schreibt, weil er sieht, der andere, weil er hört.
Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu schreiben.
Das Hauptwort ist der Kopf, das Zeitwort ist der Fuß, das Beiwort sind die Hände. Die Journalisten schreiben mit den Händen.
Einen Roman zu schreiben, mag ein reines Vergnügen sein. Nicht ohne Schwierigkeit ist es bereits, einen Roman zu erleben. Aber einen Roman zu lesen, davor hüte ich mich, so gut es irgend geht.
Wenn man es nicht kann, dann ist ein Roman noch leichter zu schreiben als ein Aphorismus.
Was ist ein Historiker? Einer, der zu schlecht schreibt, um an einem Tagesblatt mitarbeiten zu können.
Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern.
Auch das Gesicht des Arztes muß eine unleserliche Schrift sein, nicht nur sein Rezept.
Über etwas schreiben heißt, sich mit etwas überschreiben.
Man könnte eine Bibliothek schreiben von den Selbsttröstungen Gottes.
Jedem, der seine Gedanken niederlegt, blickt schon im Augenblick des Schreibens ein Größerer über die Schulter, sei es ein Vergangener, Lebendiger, oder noch Ungeborener. Wohl dem, der diesen Blick fühlt: Er wird sich nie wichtiger nehmen, als ein geistiger Mensch sich nehmen darf.
Ich schreibe der Gegenwart schön gebildeter Gegenstände einen großen Einfluß auf den Menschen zu. So sollten wir die Möbel unserer Kinderzimmer mit außerordentlicher Sorgfalt auswählen. Irgend ein schöner, schlichter, ehrwürdiger Schrank, auf den der Blick unsres Kindes von seinem Lager aus fällt, ja kunstvolle Modelle bedeutender Bauwerke, z.B. eine kleine Nachbildung der Peterskuppel, eines griechischen Tempels, einer modernen Eisenbrücke würden ihm zweifellos eine Ahnung von großem Stil geben, die es sein ganzes Leben hindurch nachspüren und weiterentwickeln würde.
Wenn ich aber tot sein werde, so tut mir die Liebe und kratzt nicht alles hervor, was ich je gesagt, geschrieben oder getan. Glaubet nicht, daß in der Breite meines Lebens das liegt, was euch wahrhaft dienlich sein kann. Ißt man denn an einem Apfel auch alles mit: die Kerne, das Kerngehäuse, die Schale, den Stengel? Also lernt auch mich essen und schlingt mich nicht hinunter mit alledem, was nun zwar zu mir gehört und gehörte, aber von dem ich selbst so wenig wissen will, wie ihr davon sollt wissen wollen. Laßt mein allzuvergänglich Teil ruhen und zerfallen: Dann erst liebt ihr mich wirklich, habt ihr mich wirklich verstanden.
Wenn einer heute in zehn Büchern dargetan, daß der Mensch nichts wissen könne über Gott und die Welt, dann nennt er sich, dann nennt ihn seine Mitwelt einen ›Wissenden‹ und erbringt damit den Beweis, daß man zehn Bücher schreiben und zehn Bücher lesen und doch noch nicht so weit sein kann, sich folgerichtig auszudrücken.
Wie süß ist alles erste Kennenlernen! Du lebst so lange nur, als du entdeckst. Doch sei getrost: Unendlich ist der Text, und seine Melodie gesetzt aus – Sternen.
Ich habe nie einsehen mögen, warum mittelmäßige Menschen deshalb aufhören sollten, mittelmäßig zu sein, weil sie schreiben können.
Man muß nicht am Abend Briefe schreiben, sonst werden es Abendbriefe. Morgens sieht alles ganz anders aus.
Der eine lebt, der andere schreibt sich aus. Das erste Dokument der Kultur war – ein Tagebuch.
Statt sehr geehrter Herr! könnte man doch viel einfacher schreiben: 5 e! Und statt hochachtungsvoll 2 o.
Ich habe soeben eine lange leidenschaftliche Epistel an meinen Ofen verfaßt und sie ihm dann gegeben. Er verschlang sie gierig und wärmte mir mit seinem Feuer zwei Minuten lang Gesicht und Hände. Gewiß, das war alles; aber es gibt Menschen, die nicht einmal wie ein Ofen zu antworten vermögen.
Gewöhnen wir uns den Superlativismus ab. Schreiben wir nicht mehr geehrtest, ergebenst, achtungsvollst, herzlichst und schönst. Schließen wir nicht mit tausend Grüßen, sondern mit gar keinem; denn ein Brief, der den Namen verdient, ist doch an sich schon der Gruß. Umarmen wir uns auch nicht mehr brieflich – ich rede natürlich hier stets nur vom Briefwechsel unter Männern –; wenn ich schreibe: ich umarme Dich, so male ich damit ein Bild, so wird durch die Niederschrift aus einer im Leben spontanen Handlung eine starre Pose. Seien wir nicht so gedankenlos gerade in Herzenssachen.
Den Gesellschaftsnarren Ihr lebt, wie's euch der Kodex vorschreibt, und damit lebt ihr überhaupt nicht. Ich bin ein Mensch, der auf sein Tor schreibt: Der Mann hier folgt nicht, front nicht, glaubt nicht.
Ich und du, einmal groß und einmal klein geschrieben – das ist die Weltformel. Ich und Du, und ich und du.
Die Vielzahl an Wahrheiten und Schriften ist so ausgeartet, daß wir sehr schnell Zuflucht zu Bruchstücken nehmen werden.