Stille Zitate

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Das Heimweh, welches die vier Menschen schon fast vergessen hatten, kam wieder in einer anderen, unerwarteten Gestalt über sie. Sie sehnten sich nicht mehr nach der Vergangenheit, sondern sie träumten in den heißen Stuben hinter dicht verhangenen Fenstern von dem leichten, luftigen Dorfsommer, dem die kühlen Winde so nachbarlich sind. Von den hellen Feldwegen, über welche die jungen Obstbäumchen ihre ruhend dünnen Schatten legen, so daß man drüber hin wie auf einer Leiter geht, von Strich zu Strich. Von den schweren, reifen Feldern, die so breit und prächtig zu wogen beginnen gegen den Abend zu, und von den Hainen, in deren dunkelnder Stille die schweigsamen Teiche liegen, von denen niemand weiß, wie tief sie sind. Und dabei dachte jeder von den vier Menschen an irgendeine bestimmte unbedeutende Stunde, deren kleines Glück man einst, ohne es zu werten, ebenso mitgenommen hatte. Und umso schmerzlicher war dieses Sehnen, als es nicht ein Unwiederbringliches betraf, als jeder fühlte, wie der heitere Heimatsommer ihn erwartete und traurig wurde, wenn keiner kam.
Manchmal gehe ich an kleinen Läden vorbei, in der rue de Seine etwa: Händler mit Altsachen oder kleine Buch-Antiquare oder Kupferstichverkäufer mit ganz, ganz vollen Schaufenstern: Nie tritt jemand ein bei ihnen, sie machen offenbar keine Geschäfte: aber man sieht hinein, und sie sitzen und lesen, unbesorgt (und sind doch nicht reich); sorgen nicht um morgen, ängstigen sich nicht um ein Gelingen, haben einen Hund, der vor ihnen sitzt, gut aufgelegt, oder eine Katze, die die Stille um sie noch größer macht, indem sie die Bücherreihen entlangstreicht, als wischte sie die Namen von den Rücken. Ach, wenn das genügte: Ich wünschte manchmal, mir so ein volles Schaufenster zu kaufen und mich mit einem Hund darunterzusetzen für zwanzig Jahre.
Ich liebe diese Stunde, die anders ist, kommt und geht. Nein, nicht die Stunde, diesen Augenblick liebe ich, der so still ist. Diesen Anfangs-Augenblick, diese Initiale der Stille, diesen ersten Stern, diesen Anfang. Dieses Etwas in mir, das aufsteht, wie junge Mädchen aufstehn in ihrer weißen Mansarde... Diese Nacht liebe ich. Nein, nicht diese Nacht, diesen Nachtanfang, diese eine lange Anfangszeile der Nacht, die ich nicht lesen werde, weil sie kein Buch für Anfänger ist. Diesen Augenblick liebe ich, der nun vorüber ist und von dem ich, da er verging, fühlte, daß er erst sein wird.
Voller Entzücken sehnte sich seine Seele nach Freiheit, Raum und Weite. Über ihm hing die Himmelskuppel voller stiller, leuchtender Sterne, grenzenlos. Vom Zenit bis zum Horizont erstreckte sich die noch dunkle Milchstraße in zwei Strängen. Die Nacht, frisch und ruhig, fast unruhig, umhüllte die Erde. Die weißen Türme und goldenen Kuppeln der Kirche leuchteten im saphirblauen Himmel. Der üppige Herbst schlief bis zum Morgen. Die Stille der Erde schien mit der Stille des Himmels zu verschmelzen und das Geheimnis der Erde berührte das Geheimnis der Sterne.
Die Weihe der Nacht Nächtliche Stille! Heilige Fülle, Wie von göttlichem Segen schwer, Säuselt aus ewiger Ferne daher. Was da lebte, Was auf engem Kreise Auf in's Weit'ste strebte, Sanft und leise Sank es in sich selbst zurück Und quillt auf in unbewußtem Glück. Und von allen Sternen nieder Strömt ein wunderbarer Segen, Daß die müden Kräfte wieder Sich in neuer Frische regen, Und aus seinen Finsternissen Tritt der Herr, so weit er kann, Und die Fäden, die zerrissen, Knüpft er alle wieder an.
Nachruf O du, die ungern mir voran gegangen, Wirst du wohl noch des Erdentraums gedenken? Und fühlst du wohl, den Flug zurück zu lenken, Zuweilen noch ein flüchtiges Verlangen? Gewiß! Du kennst ja meiner Seele Bangen, Wirst einen letzten Gruß ihr gerne schenken, Dann aber wirst du auf dein Grab dich senken, Denn dieß, du weißt es, hält mich stets gefangen. Doch wenn du nun in nächtlich-heil'ger Stille Hernieder schwebst, ein Lüftchen deine Hülle, Was wird mir deine Gegenwart verkünden? Ach, dieses, daß sich Gram und Wehmuth legen, Daß Funken sich von neuer Wonne regen, Denn deine Nähe nur kann sie entzünden.
Nachts Die dunkle Nacht hüllt Berg und Thal, Ringsum die tiefste Stille; Die Sterne zittern allzumal In ihrer Wolkenhülle; Der Mond mit seinem rothen Schein Blickt in den finstern Bach hinein, Der sich durch Binsen windet. Ich schreite in die Nacht hinaus, Entgegen jenem Schimmer, Der aus dem forstverlornen Haus Sich stiehlt mit schwachem Flimmer. Jetzt lischt's mit einmal aus, das Licht, Ich seh' es, doch mich kümmert's nicht; Je dunkler, um so besser. Du glaubst, zum Liebchen schleich' ich mich? Die könnt' ich näher haben: Nach jenem Kirchhof weis' ich dich, Dort liegt sie längst begraben. Dieß aber ist das kleine Haus, Da ging sie ehmals ein und aus In seligen süßen Stunden. Nun thut's mir wohl, den Weg zu geh'n, Wo ich mich oft entzückte, Das kleine Fenster anzuseh'n, Wo ich sie sonst erblickte; Die Bank zu grüßen, wo sie saß, Den Busch, von dem sie Beeren las, Die Blumen, die sie noch pflanzte.