Bildung, Ausbildung Zitate

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Träume führen uns oft in Umstände, und Begebenheiten hinein, in die wir wachend nicht leicht hätten können verwickelt werden, oder lassen uns Unbequemlichkeiten fühlen welche wir vielleicht als klein in der Ferne verachtet hätten, und eben dadurch mit der Zeit in dieselben verwickelt worden wären. Ein Traum ändert daher oft unsern Entschluß, sichert unsern moralischen Fond besser als alle Lehren, die durch einen Umweg ins Herz gehen.
Der Aberglauben gemeiner Leute rührt von ihrem frühen und allzu eifrigen Unterricht in der Religion her, sie hören von Geheimnissen, Wundern, Wirkungen des Teufels, und halten es für sehr wahrscheinlich, daß dergleichen Sachen überall in allen Dingen geschehen könnten. Hingegen wenn man ihnen erst die Natur selbst zeigte, so würden sie leichter das Übernatürliche und Geheimnisvolle der Religion mit Ehrfurcht betrachten, da sie hingegen jetzo dieses für etwas sehr Gemeines halten, so daß sie es für nichts Sonderliches halten, wenn ihnen jemand sagte, es wären heute 6 Engel über die Straße gegangen. Auch die Bilder in den Bibeln taugen nicht für Kinder.
Man hat in den finstern Zeiten oft sehr große Männer gesehen. Dort konnte nur groß werden, wen die Natur besonders zum großen Manne gestempelt hatte. Jetzt, da der Unterricht so leicht ist, richtet man die Menschen ab zum Groß-Werden, so wie man den Hunden das Apportieren beibringt, dadurch hat man eine neue Art von Genies entdeckt, nämlich die große Abrichtungsfähigkeit, und dieses sind die Menschen, die uns den Handel hauptsächlich verderben. Es wird ein gewisses Wissen allgemeiner gemacht, aber, und solche Leute können oft das eigentliche Genie verdunkeln, oder wenigstens hindern gehörig hervorzukommen.
Das Rätselhafte des Daseins ergreift wenige mit seinem ganzen Ernst: hingegen zum bloßen Wissen sind manche geneigt, zum Kunde erhalten von dem Überlieferten, teils aus Langerweile, teils aus Eitelkeit, teils um zum Broterwerb das Gelernte wieder zu lehren und so das Überlieferte weiter zu überliefern von Geschlecht zu Geschlecht, ohne dss die, durch deren Hände es geht, selbst Gebrauch davon machten. Sie sind dabei den Post-Sekretären gleich, die den Brief empfangen und weiter befördern, ohne ihn zu eröffnen. Es sind die bloß Gebildeten und bloß Gelehrten, die bei aller Bildung und Gelehrsamkeit im Grunde ihres Herzens oft vom Ganzen und dem Wesen des Lebens dieselbe nüchterne und einfältige Ansicht behalten haben; die sie in ihrem 15ten Jahre hatten, oder die das Volk hat, wie man leicht sehen kann, wenn man sie einmal ernstlich ausfragt und von den Worten zu den Sachen kommt.
Wird hingegen, mit plumper Absichtlichkeit, ein Reales und Anschauliches geradezu unter den Begriff seines Gegenteils gebracht, so entsteht die platte, gemeine Ironie. Z. B. wenn bei starkem Regen gesagt wird: »das ist heute ein angenehmes Wetter«; – oder, von einer hässlichen Braut: »der hat sich ein schönes Schätzchen ausgesucht«; – oder von einem Spitzbuben: »dieser Ehrenmann«; u. dgl. m. Nur Kinder und Leute ohne alle Bildung werden über so etwas lachen: denn hier ist die Inkongruenz zwischen dem Gedachten und dem Angeschauten eine totale.
Diese reinen Gelehrten, Überlieferer des Überlieferten, haben jedoch den Nutzen, dass das Vorhandene durch sie sich erhält und zu dem selbstdenkenden Menschen gelangen kann, der immer nur als eine Ausnahme, als ein Wesen von ungewöhnlicher Art dasteht. Er wird durch jene Überlieferer mit seinesgleichen in Verbindung gesetzt, die einzeln und zerstreut in den Jahrhunderten lebten, und kann so die eigene Kraft durch die Bildung stärken und wirksamer machen: wie man durch die Postsekretäre in Verbindung gesetzt wird mit seinen entfernten Anverwandten.
Es gibt doch bei dem Menschengeschlecht keinen wahren Fortschritt der Vernunft, weil alles, was auf der einen Seite als Gewinn angesehen werden kann, durch Verluste auf der anderen Seite wieder aufgewogen wird. Alle Geister müssen stets von demselben Punkt wieder ausgehen, und weil nun die Zeit, welche man zur Erlernung dessen, was andere gedacht haben, aufwendet, naturgemäß für die Ausbildung des Selbstdenkens verloren geht, so hat man zwar mehr Einsichten gewonnen, besitzt aber dafür weniger Geisteskraft.