Aufklärung Zitate

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Worauf gründen denn die höhern Stände ihr Vorrecht an alle Wahrheiten, die dem Volk entstehen? Etwan, weil sie schon die Vorkenntnisse haben, die sie vor dem Mißbrauche neuer Wahrheit bewahren? Nun so gebe man dem Volke die Vorkenntnisse. Oder darum, weil sie regieren und nicht gehorchen dürfen? Unmöglich kann Aufklärung den Gehorsam gegen nützliche und gerechte Befehle aufheben: aber wohl gegen ungerechte. Sie sagen, sie können nicht regieren, wenn das Volk aufgeklärt würde, und sie regieren bloß, damit es es wird. Freilich gehorcht das mündige Kind dem Vater nicht mehr, sondern seinem eignen Verstand, den eben der Gehorsam dazu bildete.
Du musst wissen, dass es nichts Höheres, Stärkeres und Heilsameres für das Leben in der Zukunft gibt als eine gute Erinnerung, vor allem an die Kindheit, an die Heimat. Die Leute reden viel über deine Bildung, aber eine gute, heilige Erinnerung aus der Kindheit ist vielleicht die beste Bildung. Wenn ein Mensch viele solcher Erinnerungen mit ins Leben nimmt, ist er bis ans Ende seiner Tage sicher, und wenn man nur noch eine einzige gute Erinnerung im Herzen trägt, kann selbst das manchmal die Rettung sein.
Es gibt nichts Ärgerlicheres, als ziemlich reich zu sein, aus einer ziemlich guten Familie zu stammen, ein angenehmes Äußeres zu haben, durchschnittlich gebildet zu sein, „nicht dumm“ zu sein, gutherzig zu sein und trotzdem kein einziges Talent, keine Originalität, keine einzige eigene Idee zu haben - im Grunde genommen „genau wie alle anderen“ zu sein. Von solchen Menschen gibt es unzählige auf dieser Welt - viel mehr, als es scheint. Wie alle Menschen lassen sie sich in zwei Klassen einteilen: in diejenigen mit begrenztem Intellekt und in diejenigen, die viel klüger sind. Die erste dieser beiden Klassen ist die glücklichere. Für einen gewöhnlichen Menschen mit begrenztem Verstand ist zum Beispiel nichts einfacher, als sich selbst für eine originelle Figur zu halten und in diesem Glauben zu schwelgen, ohne das geringste Misstrauen zu hegen. Viele unserer jungen Frauen haben es für richtig gehalten, sich die Haare kurz zu schneiden, eine blaue Brille aufzusetzen und sich Nihilisten zu nennen. Auf diese Weise konnten sie sich ohne weiteres davon überzeugen, dass sie neue Überzeugungen gewonnen haben. Manche Menschen haben nur einen kleinen Anflug von Freundlichkeit gegenüber ihren Mitmenschen verspürt, und diese Tatsache hat ausgereicht, um sie davon zu überzeugen, dass sie allein auf dem Weg der Aufklärung sind und dass niemand so humanitäre Gefühle hat wie sie. Andere müssen nur eine Idee von jemand anderem lesen und können sie sofort übernehmen und glauben, dass sie ihrem eigenen Gehirn entsprungen ist. Die „Unverfrorenheit der Unwissenheit“, wenn ich diesen Ausdruck verwenden darf, ist in solchen Fällen in einem wunderbaren Ausmaß entwickelt; so unwahrscheinlich es auch scheint, man begegnet ihr auf Schritt und Tritt. ... die zu der anderen Klasse gehören - zu den „viel klügeren“ Menschen, die jedoch von Kopf bis Fuß von dem Wunsch durchdrungen und durchtränkt sind, originell zu sein. Diese Klasse ist, wie ich oben schon sagte, weit weniger glücklich. Denn auch wenn der „schlaue Durchschnittsmensch“ sich vielleicht für einen genialen und originellen Menschen hält, so trägt er doch den tödlichen Wurm des Misstrauens und Zweifels in seinem Herzen, und dieser Zweifel bringt einen klugen Menschen manchmal zur Verzweiflung. (In der Regel geschieht jedoch nichts Tragisches; seine Leber wird im Laufe der Zeit ein wenig beschädigt, aber nichts Schlimmeres. Solche Menschen geben ihr Streben nach Originalität nicht ohne einen harten Kampf auf, und es hat schon Männer gegeben, die, obwohl sie an sich gute Kerle und sogar Wohltäter der Menschheit waren, um der Originalität willen auf das Niveau von gemeinen Verbrechern gesunken sind.)
Das Rätselhafte des Daseins ergreift wenige mit seinem ganzen Ernst: hingegen zum bloßen Wissen sind manche geneigt, zum Kunde erhalten von dem Überlieferten, teils aus Langerweile, teils aus Eitelkeit, teils um zum Broterwerb das Gelernte wieder zu lehren und so das Überlieferte weiter zu überliefern von Geschlecht zu Geschlecht, ohne dss die, durch deren Hände es geht, selbst Gebrauch davon machten. Sie sind dabei den Post-Sekretären gleich, die den Brief empfangen und weiter befördern, ohne ihn zu eröffnen. Es sind die bloß Gebildeten und bloß Gelehrten, die bei aller Bildung und Gelehrsamkeit im Grunde ihres Herzens oft vom Ganzen und dem Wesen des Lebens dieselbe nüchterne und einfältige Ansicht behalten haben; die sie in ihrem 15ten Jahre hatten, oder die das Volk hat, wie man leicht sehen kann, wenn man sie einmal ernstlich ausfragt und von den Worten zu den Sachen kommt.
Wird hingegen, mit plumper Absichtlichkeit, ein Reales und Anschauliches geradezu unter den Begriff seines Gegenteils gebracht, so entsteht die platte, gemeine Ironie. Z. B. wenn bei starkem Regen gesagt wird: »das ist heute ein angenehmes Wetter«; – oder, von einer hässlichen Braut: »der hat sich ein schönes Schätzchen ausgesucht«; – oder von einem Spitzbuben: »dieser Ehrenmann«; u. dgl. m. Nur Kinder und Leute ohne alle Bildung werden über so etwas lachen: denn hier ist die Inkongruenz zwischen dem Gedachten und dem Angeschauten eine totale.
Aber ich wollte froh sein, wenn das Plagiat die größte Unredlichkeit wäre, welche die Deutsche Literatur befleckt: es gibt deren viel mehr, viel tiefer eingreifende und verderblichere, zu welchen das Plagiat sich verhält wie ein wenig pickpocketing zu Kapitalverbrechen. Jenen niedrigen, schnöden Geist meine ich, vermöge dessen das persönliche Interesse der Leitstern ist, wo es die Wahrheit sein sollte, und unter der Maske der Einsicht die Absicht redet: Achselträgerei und Augendienerei sind an der Tagesordnung, Tartüffiaden werden ohne Schminke aufgeführt, ja Kapuzinaden ertönen von der den Wissenschaften geweihten Stätte: das ehrwürdige Wort Aufklärung ist eine Art Schimpfwort geworden, die größten Männer des vorigen Jahrhunderts, Voltaire, Rousseau, Locke, Hume, werden verunglimpft, diese Heroen, diese Zierden und Wohltäter der Menschheit, deren über beide Hemisphären verbreiteter Ruhm, wenn durch irgendetwas, nur noch dadurch verherrlicht werden kann, daß jederzeit und überall, wo Obskuranten auftreten, solche ihre erbitterten Feinde sind – und Ursache dazu haben.
Diese reinen Gelehrten, Überlieferer des Überlieferten, haben jedoch den Nutzen, dass das Vorhandene durch sie sich erhält und zu dem selbstdenkenden Menschen gelangen kann, der immer nur als eine Ausnahme, als ein Wesen von ungewöhnlicher Art dasteht. Er wird durch jene Überlieferer mit seinesgleichen in Verbindung gesetzt, die einzeln und zerstreut in den Jahrhunderten lebten, und kann so die eigene Kraft durch die Bildung stärken und wirksamer machen: wie man durch die Postsekretäre in Verbindung gesetzt wird mit seinen entfernten Anverwandten.