Worauf gründen denn die höhern Stände ihr Vorrecht an alle Wahrheiten, die dem Volk entstehen? Etwan, weil sie schon die Vorkenntnisse haben, die sie vor dem Mißbrauche neuer Wahrheit bewahren? Nun so gebe man dem Volke die Vorkenntnisse. Oder darum, weil sie regieren und nicht gehorchen dürfen? Unmöglich kann Aufklärung den Gehorsam gegen nützliche und gerechte Befehle aufheben: aber wohl gegen ungerechte. Sie sagen, sie können nicht regieren, wenn das Volk aufgeklärt würde, und sie regieren bloß, damit es es wird. Freilich gehorcht das mündige Kind dem Vater nicht mehr, sondern seinem eignen Verstand, den eben der Gehorsam dazu bildete.
- Jean Paul

Klugwort Reflexion zum Zitat
Jean Paul stellt in diesem Zitat grundlegende Fragen über Macht, Autorität und die Rolle der Aufklärung in der Gesellschaft.
Er kritisiert die Argumentation der oberen Stände, die behaupten, ein Vorrecht auf Wissen und Wahrheit zu haben. Jean Paul zeigt die Widersprüche in dieser Haltung auf: Wenn die höheren Stände tatsächlich über das nötige Wissen verfügen, um die Wahrheit vor Missbrauch zu schützen, warum sollte dieses Wissen nicht mit dem Volk geteilt werden? Diese Reflexion wirft die Frage auf, ob die Zurückhaltung von Wissen tatsächlich im Interesse der Gesellschaft oder lediglich im Interesse der Machthaber liegt.
Seine Aussage betont, dass wahre Aufklärung den Gehorsam gegenüber ungerechten Befehlen infrage stellt, jedoch den Gehorsam gegenüber gerechten und nützlichen Regeln nicht aufhebt. Dieses Zitat fordert uns auf, über die Bedeutung von Bildung und eigenständigem Denken nachzudenken. Es ermutigt dazu, Autorität nicht blind zu folgen, sondern kritisch zu hinterfragen, ob sie gerecht und im Sinne des Gemeinwohls handelt.
Jean Paul zieht eine Parallele zwischen dem mündig gewordenen Kind und der aufgeklärten Gesellschaft. Wie ein Kind, das nach Jahren des Lernens seine eigenen Entscheidungen treffen kann, so sollte auch eine aufgeklärte Bevölkerung in der Lage sein, selbstständig und auf Basis von Wissen zu handeln. Dieses Bild verdeutlicht die transformative Kraft der Bildung und die Verantwortung, die damit einhergeht.
Zitat Kontext
Jean Paul, ein deutscher Schriftsteller und Denker der Romantik, setzte sich intensiv mit Fragen der Bildung, der Gesellschaft und der Gerechtigkeit auseinander.
Dieses Zitat entstand in einer Zeit, in der die Aufklärung das Denken in Europa prägte. Der Fokus lag darauf, die Macht der Vernunft und Bildung zu betonen und gegen die willkürliche Herrschaft von Eliten vorzugehen. Jean Pauls Gedanken spiegeln diesen Geist wider und plädieren für eine gerechtere Verteilung von Wissen und Macht.
Historisch gesehen steht dieses Zitat im Kontext der aufkommenden bürgerlichen Emanzipation und der Forderung nach mehr Mitbestimmung und Eigenständigkeit des Volkes. Es kritisiert die paternalistische Haltung der Herrschenden, die Aufklärung nur insoweit fördern wollten, wie sie ihre eigene Macht nicht gefährdete.
Auch heute bleibt das Zitat relevant, da es die Bedeutung von Bildung und kritischem Denken betont. Jean Pauls Worte fordern uns auf, Machtstrukturen kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass Wissen und Bildung allen zugänglich gemacht werden. Seine Vision von einer mündigen, aufgeklärten Gesellschaft ist eine zeitlose Mahnung, die Verantwortung, die mit Wissen einhergeht, ernst zu nehmen und für Gerechtigkeit einzusetzen.
Daten zum Zitat
- Autor:
- Jean Paul
- Tätigkeit:
- deutscher Schriftsteller
- Epoche:
- Romantik
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- Emotion:
- Keine Emotion